Hey Wuschelköpfchen,
oder warst Du der, mit dem Lolly ? So genau kann ich mich nicht mehr an deinen Haarschnitt errinnern. War da nicht irgendetwas mit einem Stipeschnitt und Bärtchen. Alle Ziegen kommt heran, der Tisch ist gedeckt. Die Haare spießen mir aus der Nase, in Concordet sammeln sich die letzten Versprengten, auf der Suche nach ihrem Traum, es würgt mich wenn ich mit der Zahnbürste zu tief gehe, jeden morgen aufs Neue. Zehn Minuten zuvor saß ich immer auf der Schüssel, freute mich meines Lebens, was soll man auch sollst machen, beim morgendlichen Schiß ? Zwischen den Träumen des Schlafs mischen sich Gedanken von seltsamer Art, dieser Welt fremd und doch bleibt ein Zweifel. Wenn wir gegangen sind, was füllt dann die Reihen, wer kommt nach, schon sechs Monate später wird die Telefonnummer neu vergeben, ein fremde Stimme, andere Gedanken, Räume in denen wir unsere Gedanken webten, haben sich verwandelt, wurden fremd und neu. Die letzten Echos verklingen. Eigentlich sollten wir glücklich sein, das es noch nicht soweit ist, warum sind wir es nicht, was hindert uns daran, sich des Lebens zu freuen?
Die Welten vermischen sich, doch es fehlt an Druck, um eine neue zu erschaffen. Nur das Erz, welches im Feuer geschmiedet wurde wird stark genug, um sich in Stahl zu verwandeln, daran hat auch die moderne zeit nichts geändert. Irgendwo die Straße weiter rauf, werden auch die bluten, die uns Schmerzen zufügten, niemand entkommt dem Alptraum, außer vielleicht die ganz Dummen. Mein rechter Arm schmerzt, ich bin das Arbeiten nicht mehr gewohnt, auch dies fordert seinen Tribut. Wir sind nicht hier zum Herrschen, sondern zum Dienen und Schläge einzustecken. Ein Brief hat mich heute tief unter den Fingernagel geschnitten, auch das verlangt seine Aufmerksamkeit, besonders die absurden Verletzungen. Habe ich Dir eigentlich erzählt, das ich mir letztes Jahr eine Rippe beim Husten gebrochen habe ? Kein Witz, mein Arzt meinte auch, dies wäre nicht so selten. Langsam beginnt der Blues gegen die Mauern des Tages zu branden, mit jeder neuen Welle wird er stärker, wirft sich mit unvorstellbarer Wucht gegen die Klippen des Tages, beginnt Sie abzutragen, Splitter um Splitter. Kein Wunder, das der Blues aus einer Sklavenkultur entstanden ist, im Gegensatz zu uns, konnten Sie dieser Realität nicht mit Gute Zeiten Schlechte Zeiten entfliehen, also haben Sie den Blues erfunden, eine gute Antwort auf das Gefängnis in dem wir leben müssen. Die kippen geben sich die Lippen in die Hand, die Nacht läuft davon vor den Zeigern, welche die Uhren beherrschen. Zuvor habe ich eine Mail von Colin bekommen, er hat einen Song gefunden, den ich schon seit zehn Jahren suche, eine Ex hat sich die Scheibe damals unter den Nagel gerissen, aber ich war nicht mehr in der Lage die Scheibe noch einmal auf zu treiben. You can kill my body, but not my spirit" von Eric Burdon, zehn Jahre, nein es sind schon mehr, bald dreizehn, hat mich diese gekostet, aber bald habe ich ihn wieder, diesen Song, dazu noch die Sinfonien von Charles Ives. Zur Abwechslung mal gute Nachrichten, das ist mir schon einen Whisky wert. Cheers !!!!!!!!!
AAAAAhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Jetzt gibt es erstmal ein paar Gedichte aus dem Urlaub für Dich, was hälst Du von ihnen, ich habe so meine Zweifel.
17.10.99
Die Nacht ,
sie neigt sich dem Ende,
vielleicht die letzten Stunden vor dem Crash.
Der Kapitalismus ist nicht besser,
er hält nur länger bis er stürzt,
morgen schon ?
Myriaden von Möglichkeiten,
doch nur ein Leben,
um Sie zu leben.
Endet
morgen Alles,
oder beginnt es erst ?
Kneipe
Stunden am Tresen,
sture Blicke,
gedankenverloren,
alte Witze aufwärmend,
Grabesstille,
aber alles andere als unangenehm.
Gedanken,
an Fehler von gestern,
Projektionen ins Morgen.
Spiele vor einem Glas Bier.
Es gibt besseres,
aber auch eine ganze Menge,
sehr viel Schlechteres.
Urlaub
Vier Wochen Urlaub,
Wohin führt der Weg,
Wieder nur Frustrationen,
Oder kleine Freuden,
Ohne Reue.
Ich weiß es nicht,
Werde es aber heraus finden,
Wie üblich auf die harte Art.
15.10.99
Rachmaninov legt sich noch mal richtig ins Zeug,
Das Bier fängt an zu wirken.
Scheiß auf die Textprogramme,
Nachbessern können andere,
Was schert es mich,
Wenn ich vor den Tasten sitze,
Und auf Sie einhämmer,
Dann verliert dies Alles,
Seine Realität,
Und der Mensch erwacht.
1:42,
Die Nacht ist noch nicht vorbei,
Es ist erst ein Anfang,
Aber keiner weiß,
Wohin die Reise führt,
Wenn er seinen ersten Schritt macht.
Selbst wenn es eine Reise an das Ende der Nacht werden sollte,
Es ist egal,
Hauptsache es bewegt sich etwas,
Sollte auch der Konkurs am Ziel,
Auf mich warten.
18.10.99
Die Sonne scheint,
es wurde uns ein goldener Oktober versprochen,
natürlich ist nur das Wetter gemeint,
als billiges Betäubungsmittel,
gegen die Wahrnehmung dieser Welt.
Der Tod hält auch weiterhin Ernte,
ohne Rücksicht auf Träume und Hoffnungen,
ein kurzer Schnitt,
und das Vergessen setzt ein,
Goldener Herbst" hin oder her.
Der Tod behält in jedem Fall Recht.
Tote Augen,
verborgenen Einsichten,
eingebrannt in verwesende Retinae.
Ich könnte meine Hände ausstrecken,
ja sogar Sie berühren,
doch begreifen kann ich es nicht.
So nah,
und unerreichbar,
mir endgültig entzogen,
für den ewigen Moment.
Was Morgen ist,
weiß ich noch nicht,
und es zählt auch nicht !
20.10.99
9:44,
die ersten Stunden des Tages,
eine E-Mail geschrieben,
und Kaffee getrunken.
Bunte Pornobilder zogen vorbei,
ohne mich mehr zu beeindrucken,
nur Farben ohne Kraft.
Mahler läuft,
nur ich lauf noch nicht,
sitz nur da,
und kann mich zu Nichts entschließen.
Die Vorhänge sind noch zu,
die Welt dort draußen reizt mich nicht,
reizt mich überhaupt noch etwas ?
21.10.99
Endlich mal wieder eine Waschmaschine gefüllt,
fünf Tage Urlaub schon,
und noch Nichts getan.
Sieht nach einem normalen Urlaub aus,
aber irgendwie müßte ich es doch auch mal besser hinkriegen.
Doch wie überwindet man die Lethargie,
im Angesicht der Sinnlosigkeit.
Diese Antwort wäre vermutlich mehr wert,
als die gesamte Wallstreet.
Ich lag im Bett,
der Kater drehte in der Dunkelheit,
noch ein paar seiner verrückten Runden.
Das Licht war aus,
im Radio lief noch irgendeine Symphonie,
und ich hatte in der linken Schädelhälfte,
unangenehme Kopfschmerzen.
Kurz bevor ich wegnicken konnte,
das Zucken war schon da gewesen,
da kam mir der Gedanke,
was ist wenn diese Schmerzen ein Anachrisma wäre,
und ich genauso wie Tom nie wieder aufwachen würde.
Ich machte kurz die Augen auf,
sah auf die Leuchtschrift vom Wecker,
3:14,
dann schloß ich die Augen,
zuckte mit der Schulter,
und schlief wie ein Baby,
bis der Paketbote mich aufweckte,
um ein Paket für die Nachbarn los zu werden.
War wohl doch kein Anachrisma.
Jetzt erstmal einen Kaffee und eine Aspirin.
26.10.99
Worte bleiben stecken,
auf ihren Weg,
ohne Orientierung,
und ohne Ziel.
Fernab von mir,
da müssen Sie sein,
doch die Brücken sind eingestürzt,
und im Wasser ertrinken Sie.
Ich kann nicht mal ihre Seelen sehen,
einfach zu weit entfernt.
25.10.99
Die Kerzen brennen,
Nyman läuft,
der Wein ist gut,
im Kino gab es Shakespeare, der Sommernachtstraum,
eigentlich Alles perfekt,
aber etwas fehlt,
Du !
Die Gewissheit,
das Du dort in Kassel vor dich hinwurstelst,
noch immer trinkst,
die Stones auflegst,
und gelegentlich noch ein gutes Bild malen würdest,
das Alles ist gegangen,
mit Deinem Tod,
weg,
keine Rückkehr mehr,
kein Anruf mehr in der Nacht,
einfach nur weg,
so wie wir Alle einmal weg sein werden,
aber es nicht wahrhaben wollen.
Tom,
wo soll ich jetzt noch den Antrieb,
mir her herfinden,
wenn das Motiv mancher meiner Taten,
jetzt in einer Urne ruht ?
Du warst mehr als Mensch für mich,
Du warst das Symbol des nicht Aufgebens,
aber nun hast Du Dir einen besseren Platz gesucht,
und den Götzendiener zurückgelassen.
Die Dose Bier ist leer,
Leonard erzählt die Story,
von dem berühmten blauen Regenmantel.
Die Tage,
ich kann nichts wahrnehmen,
keinen Schmerz,
keine Tränen, keine Liebe,
keine Leidenschaft, keinen echten Haß,
nicht mal die Gedanken,
fahren zu den Sternen mehr.
Der Puls,
er ist noch da,
aber seine Stimmen,
ich kann Sie nicht mehr hören.
Bin ich taub geworden,
oder nur geschlagen,
und will nicht mehr hören ?
Die Nacht sendet noch immer keine Nachrichten,
an mich hier.
Ich sitze nur da,
und warte,
verschwende die Zeit,
wüßte aber auch nicht Sie besser zu nutzen.
Das sind ein paar von denen, denen ich nicht in meinem Urlaub ausweichen konnte, waren eh nur dreißig Seiten, lächerlich, nachdem ich das Jahr mit fast sechshundert begonnen habe. Mich würde deine Meinung interessieren, da mir die Objektivität dabei fehlt. So langsam wird es auch Zeit, das ich meinen Kadaver unter der Bettdecke verstecke.
Heute nacht ist schon genug gelallt worden, fällt zwar im großen allgemeinen Chor nicht auf, aber mir reicht es für heute. Laß mal hören, wie die Sachen bei Dir angekommen sind.
Hail Kalisti
Cheers
Der Kurienkardinal
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